Ausrüstung

Ausrüstung zum Wanderreiten
Teil 1: Sattel, Zaumzeug, Sattelunterlage & Packtaschen

Von Mag. Michaela Bociurko (erschienen IIO, Ausgabe 4/2014)

 

Der ideale Wanderreitsattel
Als wir vor einigen Jahren in Amerika einen Trail mitritten, hörte ich eine interessante Diskussion zwischen zwei Trailteilnehmern und unserem Rittführer. Bei den beiden Trailteilnehmern handelte es sich um ein deutsches Ehepaar, das von Ihren zwei Warmblütern daheim in Deutschland berichtete. Sie erzählten, dass sie bisher nur mit englischen Sätteln geritten waren. Da sie sich jedoch zunehmend für das Thema Trail Riding begeisterten, erwogen sie einen Umstieg auf Westernsättel, da sich diese ihrer Meinung nach besser für lange Ritte eigneten. Sie baten den Rittführer um einen Ratschlag, welcher Sattel der geeignetste sei für einen Trail. Seine Antwort kam mit einem Schmunzeln und war so genial wie simpel: The one that fits your horse’s back and your butt the best.

Mit diesem Satz brachte er eigentlich die wesentlichsten Aspekte auf den Punkt: Entscheidend bei einem guten Sattel zum Wanderreiten ist nicht zwangsläufig die Art des Sattels, sondern zuvorderst, dass er dem Pferd sehr gut passt. Aber auch für den Reiter sollte der Sattel bequem sein, denn nach sieben Stunden in einem unbequemen Sattel wird auch der beste Reiter eine verkrampfte Sitzhaltung einnehmen. Deshalb empfiehlt es sich vor Kauf auch die Bequemlichkeit eines Sattels gründlich zu testen. Für die Passform ziehen Sie am besten einen Sattlerprofi zu Rate, der Ihnen mit professionellem Rat zur Seite steht und mit Ihnen gemeinsam einen für Körperbau und Trainingszustand Ihres Pferdes geeigneten Sattel auswählt.

Weisen Sie bei einem Neukauf Ihren Berater darauf hin, für welche Zwecke Sie den Sattel vorwiegend einsetzen wollen. Wenn Sie regelmäßig Wanderritte unternehmen, spielt auch die Sattelunterlage eine wichtige Rolle und sollte bei der Anpassung des Sattels mitberücksichtigt werden (siehe Abschnitt Sattelunterlage). Neben der Passform ist allgemein auch auf die Aspekte Gewicht und Auflagefläche des Sattels zu achten. Ein geringes Sattelgewicht (ohne Einbuße an Stabilität) ist bei einem Wanderritt natürlich von Vorteil. Hinsichtlich der Auflagefläche gilt die Faustregel: Je größer, umso besser, da sich das Gewicht von Reiter und Gepäck auf eine größere Fläche verteilen kann. Theoretisch stimmt das, praktisch sind uns hier angesichts der oft sehr kurzen Rücken unserer Islandpferde natürliche Grenzen gesetzt.

Wenn Sie bereits einen perfekt passenden Sattel gefunden haben, vergessen Sie bitte nicht, diesen auch später regelmäßig überprüfen zu lassen, denn der Rücken Ihres Pferdes kann sich – beispielsweise durch Ab- und Zunahme von Fett- und/oder Muskelmasse – stetig verändern. Und es versteht sich von selbst, dass Sie Ihr Pferd erst mal langsam mit kurzen Trainingseinheiten an den neuen Sattel gewöhnen, ihn langfristig testen und erproben, bevor Sie sich damit auf einen längeren Ritt machen. Denn eines ist unumstößliches Gesetz: Auf einem Wanderritt hat neue, ungetestete Ausrüstung nichts verloren.

Zaumzeug
Ganz ähnlich wie beim Sattel gilt auch beim Zaumzeug, dass dieses gut passen und das Pferd sich damit wohlfühlen muss. Es muss von der Größe gut eingestellt sein und darf nirgends scheuern oder drücken. Allgemein kann man sagen: Je leichter der Zaum und je weniger Riemen am Pferdekopf, umso besser. Dennoch Hände weg von zu dünnen Riemchen. Besonders beim Genickstück ist ein etwas breiterer Riemen für das Pferd angenehmer, da sich so der Druck auf eine größere Fläche verteilt. Was bei einem Wanderritt auf jeden Fall nichts verloren hat, sind Zäumungen, die die Atmung beengen könnten – darunter fallen Sperrriemen aller Art. Auch Hilfszügel sind daheim im Spint besser aufgehoben.

Hinsichtlich des optimalen Materials des Zaumzeugs gibt es verschiedene Ansichten. Zum Teil ist das auch eine Geschmacksfrage. Gängig sind Leder, Nylon und Biothane. Besonders Letzteres erfreut sich vor allem bei Distanzreitern, aber auch bei Wanderreitern, immer größerer Beliebtheit. Es handelt sich hierbei um ein Polyester-Strukturgewebe, das mit einem Kunststoff (Polyurethan) ummantelt wird. Vorteile des Materials: Es ist weich, hygienisch, leicht zu reinigen, nimmt keine Feuchtigkeit auf und gilt als robust und sehr reißfest. Allerdings ist die geringere Griffigkeit nicht jedermanns Sache und Umweltbewusste werden möglicherweise weiterhin lieber auf ein Naturprodukt als auf Kunststoff setzen.

Ein praktischer Tipp: Im Handel gibt es spezielle 2-in-1 Wanderreitzäume. Diese haben den Vorteil, dass sie sowohl als Zaumzeug als auch als Halfter verwendet werden können. Üblicherweise können bei diesen Modellen die Backenstück mit der Trense mittels Karabiner schnell ab- und anmontiert werden. Damit sparen Sie Zeit, aber auch Gewicht.

Sattelunterlage
Wanderreiten bitte niemals ohne Sattelunterlage. Achten Sie auch darauf, dass die Sattelunterlage mindestens so groß ist, dass keine der Packtaschen direkt am Pferdefell scheuern kann. Allgemein sollte die Unterlage ausreichend dick und gut gepolstert sein und aus einem Material bestehen, das Schweiß gut aufsaugt. Bewährte Materialien hierfür sind Baumwolle, Wollfleece, Wolle, Lammfell oder Anti-Dekubitus-Fell (Medizinisches Lammfell). Letzteres wird in der Krankenpflege zur Vorbeugung und zur unterstützenden Behandlung von Wundliegen verwendet und genießt allgemein einen guten Ruf, ist aber in der Anschaffung etwas kostspieliger. Dennoch muss für eine gute Sattelunterlage nicht zwangsläufig tief in die Geldtasche gegriffen werden. Am Markt gibt es eine große Palette an Wanderreitpads und Wanderreitschabracken in unterschiedlichen Preisklassen und von unterschiedlicher Güte. Viele Wanderreiter schwören auch auf einen sog. Woilach, das ist eine 4- oder 6-fach gefaltete Decke aus Wolle. Warum der Woilach so beliebt ist, ist schnell erklärt: Man kann den Woilach immer neu falten und hat so stets eine saubere trockene Auflagefläche. Zusätzlich kann er nach dem Reiten auch als Abschwitzdecke eingesetzt werden (Bitte immer gründlich reinigen, bevor man die Decke wieder als Sattelunterlage verwendet). Allerdings gilt hier, wie bei allen dickeren Sattelunterlagen: Diese bitte immer bei der Anpassung des Sattels berücksichtigen.

Wer häufig Wanderreiten geht, kann sich eine Wanderreitdecke auch maßschneidern lassen. Eine sehr originelle Variante sind maßgeschneiderte Wanderreitdecken mit anklettbaren Gepäckunterlagen. Die Basis, eine Vielseitigkeitsdecke aus Microfaser, Vlies und Anti-Dekubitus-Fell, kann man für das tägliche Training verwenden, bei Wanderritten klettet man vorne und hinten Zusatzdeckenstücke als Gepäckunterlage für die Packtaschen an.

Packtaschen
Finger weg von Satteldecken und –pads mit aufgenähten oder eingearbeiteten Taschen. Diese eignen sich bestenfalls für einen kleinen Ausritt, bei dem Sie ihr Handy und Ihren Autoschlüssel wegstecken wollen. Für einen richtigen Wanderritt, bei dem Sie auch etliches an Gepäck mitnehmen müssen, sind solche Produkte denkbar ungeeignet. Auch von einem größeren Rucksack am Rücken des Reiters ist abzuraten. Zum einen kann dieser bei flotterem Tempo äußerst unangenehm werden, zum anderen ist er sehr unpraktisch, wenn Sie schnell etwas daraus hervorzaubern müssen. Am besten, Sie besorgen sich geeignete Packtaschen, die Sie entweder vorne (Vorderpacktaschen) und/oder hinten (Seitliche Packtaschen und/oder Sattelkranz- bzw. Bananentaschen) am Sattel befestigen. Achten Sie beim Kauf darauf, dass das von Ihnen gewählte Modell mit Ihrem Sattel kompatibel ist. In der Regel sind Packtaschen entweder für englische Sättel oder für Westernsättel konzipiert.

Gängige Materialien für Satteltaschen sind Textil, Nylon, Polyester und Leder. Schauen Sie bei der Auswahl der Produkte auf eine gute Qualität, damit Sie während des Rittes keine bösen Überraschungen erleben. Die Taschen sollten ausreichend robust und wasserdicht sein. Schließlich wäre es ärgerlich, wenn ein kleiner Schauer gleich Ihr gesamtes Gepäck durchnässt. Dabei muss ein günstiger Preis nicht automatisch schlechte Qualität bedeuten. Ich habe schon seit einigen Jahren meine bei der Apropos Pferd preiswert erstandenen Nylon-Taschen in Verwendung und war bisher immer recht zufrieden damit. Wenn Sie jedoch besonders hochwertige Produkte suchen und den höheren Preis nicht scheuen, kann ich Ihnen beispielsweise Marken wie Stowaways (moderne Produkte aus wasserdichtem, beschichtetem Funktionsmaterial) oder Comancheros (hochwertige Produkte aus gefetteten Rindsleder) ans Herz legen.

Abhängig vom gewählten Packtaschen-Modell und vom eigenen Sattel gibt es verschiedene Methoden, um die Packtaschen festzuzurren. Für Vorderpacktaschen eignen sich Ringe oder Ösen am Vorderzwiesel (bei Westernsättel auch das Horn), Hinterpacktaschen werden zumeist über Ösen oder Ringe am Hinterzwiesel, an den Trachten und/oder mittels Riemen zum Sattelgurt (zuweilen auch mittels Bauchriemen) befestigt. Sollten Sie einen englischen Sattel besitzen, an dem keine Ösen oder Ringe angebracht sind, können Sie diese beim Sattler nachrüsten lassen.

Egal für welches Modell oder für welche Befestigungsmethode Sie sich entscheiden – wichtig ist, dass die Packtaschen sehr gut befestigt sind und nicht verrutschen können. Bitte kontrollieren Sie auch immer gründlich, ob keine Packtasche direkt am Pferdefell reibt. Beim Packen sollten Sie das Gewicht des Gepäcks gleichmäßig auf die vorhandenen Taschen verteilen. Die schwersten Gepäckstücke immer am tiefsten in der Tasche verstauen. Dinge, die Sie häufiger bzw. mutmaßlich schon früher benötigen werden, möglichst weit oben platzieren, damit Sie schnell und einfach darauf zugreifen können. Was jederzeit griffbereit sein muss (z.B. Karte, Kompass, GPS), kann auch außerhalb der Packtaschen z.B. in Karten-, Gürtel- oder Bauchtaschen bzw. Sportarmbändern verstaut werden.

Zum Abschluss ein paar alternative Shoppingtipps
Der Trend „Zurück zur Natur“ lässt auch die Zahl der begeisterten Wanderreiter von Jahr zu Jahr wachsen. Gewiefte Händler für Pferdebedarf entdecken den Wanderreiter als potentiellen Kunden und erweitern sukzessive ihr Angebot für diese Zielgruppe. Doch nicht alles, was man da angeboten bekommt, ist auch wirklich brauchbar. Zuweilen ist die Qualität mancher Ausrüstungsgegenstände dermaßen schlecht, dass diese wohl keinen zweitägigen Wanderritt überstehen würden. Ich empfehle Ihnen deshalb, sich auch dort umzusehen, wo man bereits langjährige Erfahrung hat mit Outdoor-geprüften Ausrüstungsgegenständen. Und wo könnten diese Erfahrungen umfassender und die Ansprüche an die Robustheit höher sein als im militärischen Bereich und im Alpinsport.

Als Frau werden Sie sich vielleicht anfangs daran gewöhnen müssen, dass die im Armyshop anwesenden Herrn Sie mit skeptischen Blicken beäugen. Die äußerst stabilen Ausrüstungsgegenstände, die Sie dort erstehen können, werden Sie aber darüber großzügig hinwegsehen lassen. Wem der Camouflage-Look nicht zusagt, der kann sich alternativ in entsprechenden Fachgeschäften für Alpinsport umsehen. Als Österreicher genießt man hier ja quasi Heimvorteil und kann aus einer Vielzahl an Angeboten schöpfen. Ganz gleich wofür Sie sich letztendlich entscheiden, hier sind Sie hinsichtlich Qualität auf der sicheren Seite. Denn was sich beim Einsatz im Feld oder bei Wind und Wetter am Berg bewährt hat, wird Sie auch beim nächsten nasskalten Wanderritt nicht im Stich lassen.